SCHUFA Holding AG & Co: Negativ-Einträge als Stolpersteine im Verbraucheralltag

Nicole BehrensAllgemein, AWO zeigt Gesicht, News

Susanne Wilkening ist Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der AWO Berlin Spree-Wuhle e. V. und arbeitet als Rechtsanwältin. Inwieweit sich Negativ-Einträge bei der Schufa auf die Lebensumstände von Verbraucher*innen auswirken? Susanne kann uns einiges dazu berichten:

„Als Schuldnerberaterin erlebe ich fast täglich Ratsuchende, die mit den Folgen von negativen Schufa-Einträgen zu kämpfen haben. Diese Einträge wirken wie eine Brandmarkung.
Die Betroffenen bekommen keine günstigen Handy- oder Stromverträge, haben in angespannten Wohnungsmärkten nahezu keine Chancen auf eine neue Wohnung und haben Probleme, nach einer Kontokündigung ein neues Girokonto zu erhalten.
Die potentiellen Vertragspartner interessiert es nicht, dass die den Negativ-Einträgen zu Grunde liegenden Probleme häufig schon lange zurückliegen, dass diese Probleme oft längst überwunden sind, dass Schuldenprobleme nicht selten unverschuldet entstanden sind, zum Beispiel in Folge einer gescheiterten Selbstständigkeit oder wegen der Mithaftung für andere Personen.

Ich arbeite in einer staatlich anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Diese Arbeit ist oft anstrengend und belastend, aber ich liebe meinen Beruf und er macht mir große Freude. Das liegt auch daran, dass man selten in der Sozialarbeit so hilfreich und konstruktiv arbeiten kann wie in diesem Berufsfeld. Schuldner- und Insolvenzberatung ist für mich stets ein Dreiklang: Die Basis ist immer die Sozialarbeit, einen kleineren ergänzenden Anteil bilden Juristerei und Dienstleistung.
Jeder Fall hat sein eigenes Gepräge und erfordert seine eigene Konzeption für eine gute Zusammenarbeit mit dem Ratsuchenden und für einen gelingenden Lösungsweg heraus aus den Schulden und hinein in ein selbstbestimmtes und verantwortungsvoll gestaltetes Leben.

Umso ärgerlicher erscheint die langdauernde Brandmarkung von Menschen durch negative Schufa-Einträge. Wir leben nach meiner Einschätzung in Zeiten, in denen politisches Engagement sinnvoll erscheint. Daher tue ich genau das. In meinem Fall ist das die ehrenamtliche Arbeit im Arbeitskreis Insolvenzrecht, einer Untergruppe der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) Berlin.
Dort haben wir uns jüngst mit den „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien“ vom 25.05.2018 beschäftigt.
Diese Verhaltensregeln dienen als rechtliche Grundlage für die Datenspeicherung u. a. der Schufa. Salopp gesagt sind diese so entstanden: Die EU hat es durch eine Öffnungsklausel dem Verband „Die Wirtschaftsauskunfteien e. V.“ möglich gemacht, sich einfach selber Regeln zu geben, diese wurden dann lediglich noch vom Landesdatenschutzbeauftragten NRW genehmigt. Die Wirtschaftsauskunfteien haben sich so ihr Recht selbst kreiert. Eine Anhörung betroffener Rechtskreisträger, etwa Verbraucherzentralen oder der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung fand nicht statt. Dabei sind die Speicherungen insbesondere von negativen Merkmalen ganz erhebliche Eingriffe und Belastungen der Betroffenen in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die ASJ Berlin fordert die umgehende Aufhebung der Verhaltensregeln und bezweifelt ihre Rechtmäßigkeit unter mehreren Gesichtspunkten. Näheres dazu unter findest sich in der Pressemitteilung der ASJ Berlin unter https://asj.berlin.de/aktuelles, dort: Meldung vom 28.04.2021. Hingewiesen wird in dieser Pressemitteilung auch auf das schon vielfach beklagte Auseinanderfallen der Speicherfristen im Bundesanzeiger (6 Monate) und der Speicherfristen aus den Verhaltensregeln (3 Jahre) für die Erteilung von Restschuldbefreiungen.

Wenn man bedenkt, dass erfahrungsgemäß einige Jahre vergehen, bevor Überschuldete überhaupt in die Schuldnerberatung kommen, dass dann einige Zeit mit den Vorbereitungen eines Insolvenzverfahrens vergeht, dann 3 Jahre bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung folgen und danach noch 3 Jahre der Makel gespeichert wird, dauert es insgesamt oft 10 Jahre, bis ein wirklicher wirtschaftlicher Neuanfang gelingen kann.

Noch tiefergehende datenschutzrechtliche Fragen würden aber entstehen, wenn –wie Pressemitteilungen nahelegen- die Schufa tatsächlich kurz vor dem Verkauf an amerikanische Investoren steht. Wir sollten uns auch dafür interessieren.“

Vielen Dank für deine Ausführungen, Susanne!

#teamawo

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