Verbund für Pflegekinder – was kann ich mir darunter vorstellen?

Nicole BehrensEinrichtungsportraits, News, Reinickendorf, Top Story

Berlin braucht Pflegefamilien und zwar vor allem für kleinere Kinder unter 6 Jahren. In Reinickendorf betreibt die AWO pro:mensch gemeinsam mit ihrem Kooperationspartner Horizonte den Verbund für Pflegekinder. Wir haben unsere Kolleg*innen aus dem Team Verbund für Pflegekinder gebeten, uns mehr über ihre Arbeit zu erzählen …

VfP steht für Verbund für Pflegekinder … was kann ich mir darunter eigentlich vorstellen?
Jeder Bezirk in Berlin hat einen Pflegekinderdienst. In Reinickendorf ist der Pflegekinderdienst bei zwei freien Trägern angesiedelt. Es gibt ein Beratungsteam bei Horizonte und eines bei uns bei der AWO pro:mensch. Wir arbeiten gemeinsam im Verbund und gestalten die Pflegekinderhilfe in Reinickendorf gemeinsam.

Wie viele Pflegefamilien betreut ihr?
Derzeit betreuen wir 65 Pflegefamilien mit 95 Pflegekindern.

Wie findet ihr geeignete Pflegefamilien?
Gemeinsam mit der Kindertagespflege und der Koordinatorin für Vollzeitpflege im Jugendamt Reinickendorf veranstalten wir regelmäßig Informationsabende, bei denen Interessierte sich über die Möglichkeit informieren können, Pflegeeltern zu werden. Diese Abende werden über Anzeigen in lokalen Zeitungen, Pressemitteilungen und Social-Media-Veröffentlichungen des Bezirksamtes und unsere Webseiten angekündigt. Vor den Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen haben wir über das Jahr hinweg immer wieder Aktionen durchgeführt, um auf die Möglichkeit, Pflegeeltern zu werden, aufmerksam zu machen: Unter anderem haben wir mit einem Team aus Pflegepersonen und Fachkräften am traditionellen Reinickendorfer Drachenboot-Rennen teilgenommen, waren mit einem Informations-Stand beim Berliner Pflegefamilien-Tag vertreten und haben Ende Dezember vor dem Reinickendorfer Rathaus ein „Weihnachts-Singen“ (Pflegefamilien, Fachkräfte, Bezirksamt) veranstaltet. Soweit möglich, werden wir diese Aktivitäten nun wieder anlaufen lassen. In einer kleinen „Akquise-AG“ sind wir derzeit dabei, weitere Aktionen vorzubereiten (z. B. Podcast). Zudem nutzen wir unsere Webseite, um Interessierte anzusprechen, erste Informationen weiterzugeben und zum weiteren Kontakt einzuladen.

Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen, um ein Kind in meiner Familie aufzunehmen?
Du solltest Freude daran haben ein Pflegekind vorübergehend oder dauerhaft in deine Familie aufzunehmen. Wir suchen Menschen, die als Paar oder als Alleinstehende einem Kind eine Chance auf eine Zukunft geben wollen, es in der Entwicklung fördern und liebevoll unterstützen, ihm Wärme, Geborgenheit und Erziehung geben. Bei einer dauerhaften Unterbringung der Pflegekinder sollten Eltern und Kind einen familienentsprechenden Altersabstand haben. Aber auch mit 45 Jahren kann man noch Säuglinge oder Kleinkinder bei sich aufnehmen. Da Kinder zum Spielen und Lernen Platz brauchen, brauchst du genügend Wohnraum. Das heißt aber nicht, dass von Anfang an für jedes Kind ein eigenes Zimmer vorhanden sein muss. Du solltest in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen leben und mit deinem Einkommen unabhängig von den Leistungen sein, die du für das Pflegekind erhältst. Pflegekinder brauchen viel Zeit und Aufmerksamkeit – wenn es sich vereinbaren lässt, kann auch der überwiegend betreuende Eltern teil berufstätig sein. Pädagogische Fragen und erzieherische Vorstellungen werden mit dir in einem mehrmonatigen Überprüfungsprozess besprochen. Dabei wird auch erarbeitet, welche Belastungen du dir durch die Aufnahme eines Pflegekindes vorstellen kannst und wo deine Grenzen liegen. Durch die Teilnahme an der halbjährigen Pflegeeltern-Schule und die fortlaufende Beratung wirst du weiter in deinen Aufgaben als Pflegeperson unterstützt.  

Nach welchen Kriterien werden Pflegefamilien ausgewählt?
Wir erhalten vom Jugendamt den Auftrag, geeignete Pflegeeltern jeweils für ein bestimmtes Kind zu finden. Aus unserem Pool an überprüften Pflegeeltern wählen wir entsprechend der Situation und der Bedürfnisse des Kindes mögliche geeignete Pflegepersonen aus. Im Überprüfungsprozess wurden die zukünftigen Pflegepersonen ermutigt, Wünsche zu äußern, was für ein Kind sie aufnehmen möchten, was sie sich zutrauen und wo ihre Grenzen liegen. Entsprechend dieser Kriterien treffen wir eine Vorauswahl und sprechen dann die jeweiligen Pflegepersonen an. In einer Kennenlernphase kommen sich Pflegekind und Pflegeeltern näher und haben Zeit, herauszufinden, ob sie zusammenpassen.

Wie lange bleiben Kinder i.d.R. in einer Pflegefamilie?
Bei der  Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie wird zwischen befristeter und unbefristeter Vollzeitpflege unterschieden. Befristet untergebrachte Kinder bleiben in der Pflegefamilie bis die weitere Perspektive geklärt werden konnte. Dies kann wenige Wochen oder auch mehrere Monate beanspruchen. Sollte die Möglichkeit einer Rückführung zur Herkunftsfamilie aus fachlicher Sicht nicht bestehen, kann das Kind unbefristet bei einer  Pflegefamilie untergebracht werden. Diese Hilfe ist auf Dauer angelegt, d.h. die Kinder leben je nach Alter zum Zeitpunkt der Aufnahme 18 Jahre oder auch länger in der Familie. In wenigen Fällen kommt es nach Unterbringung in einer unbefristeten Pflege zu einer Rückführung. Manchmal wechseln Pflegekinder auch in eine Wohngruppe, wenn diese Hilfeform sich als passender erweist.

Wie sieht die Arbeit mit den Pflegefamilien konkret aus?

  • Wir beraten die Pflegeeltern zu allen anfallenden Themen wie Erziehung, Gesundheit oder Förderungsmöglichkeiten für die Pflegekinder und unterstützen bei der Beantragung und Anbahnung weiterer geeigneter Hilfen. Wir informieren sie über die Rechte und Pflichten im Rahmen der Hilfe zur Erziehung.
  • In Konfliktsituationen oder Krisen begleiten wir die Familien engmaschig. Im Fokus steht dabei immer das Wohl des Kindes in seelischer und körperlicher Hinsicht.  
  • Mindestens zwei Mal im Jahr besuchen wir die Familien auch zu Hause, um uns ein Bild von der häuslichen Situation zu machen und mit den Kindern in Kontakt zu kommen.
  • Bei Bedarf begleiten wir die Kontakte der Pflegekinder mit den Herkunftseltern und bieten einen stabilen Rahmen für die Beziehungspflege.
  • Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit dem Jugendamt, berichten an das Jugendamt und vermitteln zwischen den Familien und den dortigen Fachkräften. Bei Bedarf erstellen wir mit den Pflegeeltern gemeinsam Entwicklungsberichte für das Jugendamt. Wir terminieren mit den Fachkräften Hilfekonferenzen, bereiten die Hilfeplanung mit den Pflegeeltern vor und sind flankierend dabei, wenn die Ziele für den kommenden Hilfezeitraum besprochen werden.
  • Wir kooperieren mit allen anderen Fallbeteiligten: Vormundschaft, Schule, Kita, Therapeut*innen, Beratungsstellen, (…).
  • Darüber hinaus bieten wir Pflegekindern und -eltern die Möglichkeit, an unseren Gruppenangeboten teilzunehmen: Kindergruppe, Gesprächsgruppe, Pflegeelternfrühstück, Einrad-Fahren. Leider mussten diese Angebote Corona bedingt pausieren. Auch Fortbildungen für Pflegeeltern werden vom VfP regelmäßig angeboten und von uns begleitet.
  • Zu unserem Arbeitsalltag gehört neben der direkten Zusammenarbeit mit den Pflegefamilien regelmäßig auch die Falldokumentation, Teambesprechungen und Supervision.

Welches sind die Ziele eurer Arbeit?
Übergeordnetes Ziel ist es, dass Kinder gut aufwachsen und ihr Leben selbst gestalten können. Wir wollen Pflegefamilien durch unsere Beratung unterstützen, um den Herausforderungen, die das Pflegefamiliensein mit sich bringt, gut zu begegnen. Dabei sind wir Ansprechpartner*innen sowohl für das Kind, als auch für die Pflege- und Herkunftseltern. Der allergrößte Teil der Beratung findet dabei mit den Pflegeeltern statt.

Was sind die größten Herausforderungen in eurem Job?
Es braucht ein sehr gutes Zeitmanagement und Organisationstalent, um die vielfältigen Aufgaben gut unter einen Hut zu bringen und den Überblick zu behalten. Auch die Fähigkeit, sich abgrenzen zu können, ist in unserer Arbeit nicht unentscheidend.  Die strukturellen Rahmenbedingungen führen dazu, dass wir immer wieder kreative Wege finden müssen, um unsere Arbeit entsprechend unserer fachlichen Haltung gestalten zu können.

Was macht euch am meisten Spaß im Job bzw. was erfüllt euch am meisten?
Zu sehen, wie neue Familien entstehen ist spannend und berührend. Besonders toll ist es, wenn wir durch unsere fachliche Beratung dazu beitragen können, dass sowohl das Kind, als auch die Pflegefamilie und die Herkunftsfamilie gute und kreative Wege finden, Herausforderungen zu bewältigen und eine Zwei-Familien Konstellation zu gestalten, mit der alle Beteiligten zufrieden sind

Vielen Dank für eure umfangreichen Informationen, liebes Team aus dem Verbund für Pflegekinder!

Derzeit brauchen wir übrigens noch Verstärkung für unser Team und freuen uns auf deine Bewerbung!

Die wichtigsten Skills, um in unser Team zu passen:

  • ein hohes Maß an Selbstorganisation, selbständiges Arbeiten
  • Kollegialität, Teamgeist, Bereitschaft zu gegenseitiger Unterstützung
  • systemischer Blick und lösungsorientierte Arbeitsweise
  • Bereitschaft, zeitlich und inhaltlich flexibel zu arbeiten
  • Spaß an der Zusammenarbeit mit Menschen aus unterschiedlichsten Kontexten

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